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Holzrestaurator Christoph Alder
© Badisches Landesmuseum, Hannes Deters
von Sandra Gygax
8
min Lesezeit

Im Interview mit Christoph Adler

Ein Flügel, der nicht mehr klingt – aber viel erzählt


Seit fast vier Jahrzehnten restauriert Christoph Adler Möbel und Holzobjekte für das Badische Landesmuseum. Im Interview spricht er über seine ersten Restaurierungsprojekte, ungebetene Gäste, den Umgang mit historischen Spuren und ein ganz besonderes Objekt aus dem Jugendstil*.

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Herr Adler, wie sind Sie eigentlich Restaurator geworden und warum haben sie sich für den Schwerpunkt Holz entschieden?

Ich habe ursprünglich eine Schreinerlehre gemacht. Holz und Möbel – das ist einfach mein Ding. Damals gab es noch kein spezielles Studium für Restaurierung, aber ein Volontariat, das ähnlich aufgebaut war wie ein Praktikum. So bin ich nach und nach tiefer in das Feld eingestiegen.

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Skizzen und Fotos eines Modells oder Prototyps in einem offenen Ordner auf einem Tisch.
Fotodokumentation der Restaurierung zweiter etruskischer Helme, Inv. F 435 a/b
© Badisches Landesmuseum, Hannes Deters
Ein geöffnetes Album mit Fotos von Hüten und Ausstellungsstücken, umgeben von Werkzeugen und Gehörschutz.
Aus einem Fundobjekt mit zwei verschiedenen Helmhälften wurden zwei eigenständige Helme rekonstruiert, Inv. F 435 a/b
© Badisches Landesmuseum, Hannes Deters

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Erinnern Sie sich noch an das erste Objekt, das Sie am Badischen Landesmuseum restauriert haben?

Ja, das war sogar noch während meines Volontariats. In dieser Zeit war ich ein Jahr in der Metallrestaurierung tätig und durfte einen etruskischen Helm aus Bronze restaurieren. Der Helm bestand aus zwei verschiedenen Helmhälften, die zu einem Objekt verarbeitet worden waren. Ich habe sie getrennt und jeden Helm um eine halbe Helmhälfte ergänzt – so wurden aus einem Helm wieder zwei. Damals wurde noch sehr großzügig ergänzt, wie in diesem Fall mit Kunstharz. Heute würde man da sicher zurückhaltender vorgehen. Das Beispiel zeigt, wie sich die Restaurierungspraxis in den letzten Jahrzehnten verändert hat.


Gibt es andere Objekte, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Ich erinnere mich noch gut an ein weiteres Stück aus meiner Anfangszeit. Es war ein ausziehbarer Tisch der Möbelfabrik Gebrüder Himmelheber aus dem 19. Jahrhundert. Das war eine Karlsruher Firma, die hauptsächlich Historismus*-Möbel hergestellt hat. Der Tisch war aus Nussbaumholz, reich geschnitzt und ließ sich auf über acht Meter verlängern. Er stand völlig verstaubt und beschädigt in einem Maschinenraum in einer Ecke. Ich habe ihn umfassend restauriert – das war eine ganz schöne Herausforderung.

Und natürlich erinnere ich mich an den Schreibsekretär von David Roentgen. Ein hochwertiges Möbelstück, das 1995 auf einer Auktion bei Sotheby‘s ersteigert wurde. Er stammt aus der großherzoglichen Sammlung, aus welcher das Badische Landesmuseum einiges übernommen hat. Das Objekt war in einem sehr schlechten Zustand, beispielsweise fehlten Furniere und Beschläge. Wahrscheinlich hat jemand versucht, die Schubladen aufzubrechen. An manchen Stellen sah man noch die Hebelspuren. Die fehlenden Teile habe ich alle ersetzt und das Möbelstück insgesamt wieder aufpoliert. Solche Projekte sind anspruchsvoll, aber auch besonders erfüllend.

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  • * Jugendstil

    Der Jugendstil (ca. 1890–1910) ist eine internationale Kunst- und Designbewegung, die sich durch schwungvolle Linien, florale Ornamente und eine enge Verbindung von Kunst und Handwerk auszeichnet. Typisch sind geschwungene, organische Formen, Naturmotive und eine dekorative Gestaltung in Architektur, Kunstgewerbe, Möbeln und Grafik.

  • * Historismus

    Kunst- und Baustil des 19. Jahrhunderts, welcher frühere Epochen nachahmte und miteinander kombinierte. Der Historismus spiegelt das Interesse seiner Zeit an Geschichte und den Wunsch, durch Rückgriff auf Vergangenes neue Identität zu stiften.

Fotodokumentation des Schreibmöblels von David Roentgen und Francois Rémond, Inv. 85/193, um 1787-1788
© Badisches Landesmuseum, Hannes Deters

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Zuletzt haben Sie einen Jugendstilflügel restauriert, der in der Ausstellung Unrecht und Profit zu sehen war. Was ist das für ein Stück?

Der Flügel war ursprünglich ein normaler Bechstein-Flügel und wurde 1905 vom britischen Architekten Mackay Hugh Baillie Scott umgestaltet. Es handelt sich also nicht um einen Neubau, sondern um einen Umbau. Das sieht man gut an der Unterseite, wo die ursprüngliche Form erhalten geblieben ist. Eine Seite wurde überblendet, um eine gerade Silhouette zu erzeugen. Für uns von der Restaurierung ist das spannend, weil man deutlich erkennt, wo überarbeitet oder überfurniert wurde.

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Ein kunstvolles Holzklavier mit geometrischem Design und offener Klappe.
Bechstein Flügel, entworfen von Mackay Hugh Baillie Scott, Inv. 71/49
© Badisches Landesmuseum, Hannes Deters
Detailaufnahme des Inneren eines Klaviers der Marke "C. Bechstein" mit Saiten und Resonanzboden im Blick.
Detailaufnahme der nicht mehr spielbaren Saiten, Bechstein Flügel, Inv. 71/49
© Badisches Landesmuseum, Hannes Deters
„Und genau das ist das Schöne an so einem Objekt: Es erzählt seine Geschichte nicht nur über große Schäden, sondern auch über die kleinen Abnutzungsspuren des Alltags.“
Christoph Adler, Holzrestaurator

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Welche Materialien machen diesen Flügel so besonders – und wie gehen Sie mit deren Restaurierung um?

Der Flügel vereint viele Materialien: Elfenbein, Ebenholz, Perlmutt, Zinn und verschiedene Hölzer. Die weißen Tasten sind aus Elfenbein, das heute unter Artenschutz steht. Das würde insbesondere relevant werden, wenn der Flügel ins Ausland transportiert werden müsste, dann bräuchte man Zertifikate dafür. Die schwarzen Tasten sind aus Ebenholz. Ebenholz und Zinn sind auch in den Kartuschen eingebaut. Die Perlmutteinlagen waren leider zu einem Drittel verloren und wurden mit Kunststoffimitat ergänzt. Man sieht es kaum – aber kann es fühlen, weil Kunststoff sich wärmer anfühlt. Der Flügel war auch von Feuchtigkeit geschädigt, wodurch der Knochenleim* spröde wurde und nicht mehr bindet. Viele große Furnierflächen und Leimverbindungen mussten neu verleimt werden. Der Rest des Flügels besteht hauptsächlich aus Eichenfurnier, Kiefernholz für den Korpus und der Resonanzboden ist aus Fichtenholz.

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  • * Knochenleim

    Knochenleim ist ein traditioneller Klebstoff, der durch das Auskochen von Tierknochen gewonnen wird. Nach dem Erkalten bildet der Leim eine feste, jedoch wasserlösliche Substanz. In der Restaurierung wird Knochenleim bis heute verwendet, da er sich durch Wärme und Feuchtigkeit wieder lösen lässt.

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Wird der Flügel nach der Restaurierung wieder spielbar sein?

Nein. Um ihn spielbar zu machen, hätte man massiv eingreifen müssen. Der Resonanzboden hatte nicht mehr die ursprüngliche Spannung, Filze und Saiten hätten ersetzt werden müssen, wahrscheinlich sogar die ganze Tastatur. Das hätte viele historische Spuren zerstört – zum Beispiel die Fraßspuren von Insekten an den Filzen oder kleine Rotweinflecken auf den Tasten. Diese Spuren erzählen Geschichten. Selbst die winzigsten Details, wie etwa Mottenlöcher, gehören dazu. Darum haben wir uns dagegen entschieden.

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Manche Spuren sind selbst nach der Restaurierung noch sichtbar, Bechstein Flügel, Inv. 71/49
© Badisches Landesmuseum, Hannes Deters

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Wie gehen Sie generell mit Gebrauchsspuren um? Was wird entfernt, was bleibt?

Das ist immer eine individuelle Einzelfallentscheidung und liegt im Ermessen der Restaurator*innen und Kurator*innen. Wichtig ist, dass das Gesamtbild stimmig bleibt. Das Erscheinungsbild soll nicht durch grobe Kratzer oder Flecken gestört werden. Andererseits sollen die Spuren der Geschichte erhalten bleiben. Den Rotweinfleck auf dem Flügel habe ich lediglich abgeschwächt, aber nicht ganz entfernt. Es soll erkennbar bleiben, dass an diesem Flügel getrunken und wahrscheinlich gefeiert wurde. Auch starke Kratzer retuschiere ich zwar mit Aquarellfarbe, damit sie sich dem umgebenden Holz anpassen, aber ich schleife sie nicht weg. Früher war man da radikaler. Heute steht die Erhaltung der historischen Spuren im Vordergrund.

Dann gibt es natürlich auch andere Spuren – zum Beispiel kann man an einem Instrument wie dem Flügel ablesen, wie häufig darauf gespielt wurde. Das sieht man an den Tasten: Wenn jemand oft spielt, entstehen regelrechte Mulden. Bei diesem Flügel war das nicht der Fall. Die Tasten waren zwar nicht mehr ganz ebenmäßig, aber auch nicht stark abgegriffen. Man erkennt: Er wurde benutzt – aber eben nicht intensiv. Und genau das ist das Schöne an so einem Objekt: Es erzählt seine Geschichte nicht nur über große Schäden, sondern auch über die kleinen Abnutzungsspuren des Alltags.

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„Heute steht die Erhaltung der historischen Spuren im Vordergrund.“
Christoph Adler, Holzrestaurator

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Das Museum hat soeben für eine umfassende Sanierung seine Türen geschlossen. Die Zeit der Schließung ist auch eine Zeit des Umbruchs. Welche Rolle spielt die Restaurierung in dieser Übergangszeit?

Es ist auf jeden Fall eine spannende Phase – auch wenn ich selbst nur noch den Anfang mitbekommen werde. Die Sanierung bedeutet für uns Restaurator*innen nicht weniger, sondern eher mehr Arbeit. Viele Aufgaben ändern sich, denn die Objekte müssen für viele Jahre fachgerecht eingelagert werden. Damit sie diesen Zeitraum unbeschadet überstehen, sind sichere Verpackungs- und Transportlösungen entscheidend. Ich habe dafür spezielle Leichtbaukisten entwickelt, die ausschließlich aus Materialien bestehen, die über längere Zeiträume hinweg keine schädlichen Stoffe abgeben. Denn gerade empfindliche Objekte reagieren sensibel auf Schadstoffe oder ungünstiges Klima. Deshalb ist es wichtig, auf Dinge wie Schaumstoffe zu verzichten, da diese Weichmacher enthalten, die ausgasen könnten. Insgesamt wollen wir über 100 dieser Spezialkisten anfertigen lassen. Für jedes Objekt – sei es eine Kommode, ein Thron oder eine Holzskulptur – haben wir die Maße aufgenommen und in Listen dokumentiert: Passt es in eine Standardkiste? Brauchen wir eine Sonderanfertigung? Reicht eine Palette oder brauchen wir eine Palette mit Übermaß?

All diese Daten fließen in die Umzugsplanung ein und werden an unsere Koordinationsstelle weitergegeben. Insgesamt sind vier große Umzüge alleine innerhalb des Schlosses geplant. Es ist ein logistischer Kraftakt – aber auch eine große Chance, unsere Sammlung unter konservatorischen Gesichtspunkten noch einmal genau zu prüfen und für die Zukunft gut aufzustellen. Auch das ist Teil unserer Arbeit: die Objekte nicht nur zu restaurieren, sondern dauerhaft zu schützen.

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Stimmen aus dem Museum
25.09.2025
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