Zum Hauptinhalt springen
00:00 / 00:00
Your browser does not support the audio element.
echo – das digitale Magazin des Badischen Landesmuseums
‹

Kategorien

Neues
Baustellenjournal
Objekte im Dialog
Stimmen aus dem Museum
Ungefiltert
Visionen
Autor*innen
Glossar
Artikel in Einfacher Sprache
English Articles
Barrierefreiheit
Museumswebsite
Digitaler Katalog
von Annette Kätsch-Hattendorf
13
min Lesezeit

Lorem ipsum dolor sit ame

Vom Revolutionär zum Volkshelden: Friedrich Hecker und sein Nachleben in den USA

Friedrich Hecker (1811-1881) gilt bis heute als einer der Helden der Badischen Revolution von 1848. Dass er nach seiner Emigration auch in den USA eine wichtige Rolle spielte, ist weniger bekannt.

Darstellung von Friedrich Hecker vor 1848, Inv. 2014/744
© Badisches Landesmuseum, Peter Gaul

Lorem ipsum

Mit Heckerhut und Stulpenstiefeln ist Friedrich Hecker auf vielen zeitgenössischen Abbildungen zu sehen, so zum Beispiel auf einer Wandfliese des Badischen Landesmuseums. Sie zeugt noch heute von der Verehrung, die man dem mutigen Freiheitskämpfer in Baden entgegenbrachte. Doch was waren eigentlich seine politischen Ideen? Als andere noch über eine konstitutionelle Monarchie diskutierten, forderte Hecker schon die Abschaffung der Vorrechte des Adels und wurde zum glühenden Streiter für eine Republik in Baden und Deutschland. Dabei kämpfte er auch für Rechte, die uns heute selbstverständlich erscheinen: Ein demokratisches System mit einer Verfassung, die Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit garantierte. Seine Ziele verfolgte er mit großem persönlichen Einsatz. So setzte er sich schließlich selbst an die Spitze einer militärischen Unternehmung, die das Ziel hatte, den Großherzog in Karlsruhe zu stürzen. Dieser sogenannte Hecker-Zug scheiterte jedoch – und Hecker musste ins Ausland fliehen. Das war allerdings längst nicht das Ende seines Kampfes für Freiheit und Gerechtigkeit. Auch in den USA, wo er eine neue Heimat fand, blieb Hecker ein politischer Mensch, der für seine Überzeugungen eintrat. Über Hecker und sein Vermächtnis auf der anderen Seite des Atlantiks haben wir mit Prof. Steven Nyole Fuller gesprochen, der in Portland (Oregon) zur Badischen Revolution forscht.

  • Liste 1
  • Liste 2
Lorem ipsum
  • Prof. Steven Nyole Fuller

    Dr. Steven Nyole Fuller (geb. 1960) ist seit 35 Jahren Professor der Germanistik an der Portland State University, Portland, Oregon, USA. Er studierte an der Stanford University (1978–1990), an der Freien Universität West-Berlin und auch an der Humboldt-Universität Berlin, DDR. Seine Familie stammt ursprünglich aus Baden. Er ist Autor des gerade erschienenen Buches, Walking the Footsteps of a Forgotten Revolution: Friedrich Hecker's Insurrection of 1848 (De Gruyter 2025).

Lorem ipsum

Herr Fuller, Sie sind ein Hecker-Spezialist und haben sogar einmal eine Wanderung auf den Spuren des Hecker-Zugs in Südbaden gemacht, von der Sie in Ihrem Buch „Walking the Footsteps of a Forgotten Revolution“ ausführlich berichten. Was fasziniert Sie so an Friedrich Hecker?

Ich wollte eigentlich erst ein Buch über Gustav Struve schreiben, Heckers Sidekick, wie wir heute sagen würden. Und dann habe ich entdeckt, dass Hecker so charismatisch und auch in Amerika ein Volksheld und Mythos unter den Deutsch-Amerikaner*innen war. Es gab sogar Produkte mit Heckers Bild, die in Deutschland produziert und dann in Amerika verkauft wurden – in Deutschland waren diese verboten. Uhren aus Lenzkirch zum Beispiel mit Heckers Gesicht auf dem Ziffernblatt, und seine Augen gehen bei jedem Pendelschlag von rechts nach links.

  • Liste 1
  • Liste 2
Lorem ipsum
Abschied von Friedrich Hecker in Straßburg, umgeben von einer Menge und Symbolen für Freiheit und Gleichheit.
Abreise Heckers aus Straßburg, Lithografie von 1848, Inv. 80/409-337
© Badisches Landesmuseum, Thomas Goldschmidt

Lorem ipsum

Ich wollte also ein Buch über Hecker in Amerika schreiben. Aber erst musste ich Heckers Weg in Deutschland verstehen, und so bin ich auf die Idee gekommen, den Hecker-Zug Schritt für Schritt nachzuwandern. Die Historiker*innen hatten auf einer Karte einfach eine Linie gezeichnet, aber ich wollte den genauen Weg finden! Von Konstanz bis Stockach, Stockach bis Engen usw., und soweit möglich habe ich sogar in denselben Hotels gewohnt wie Hecker damals. Dabei habe ich viel über die Revolution gelernt, die Landschaft und die Leute im modernen Baden. Das war eine einmalige Erfahrung!

  • Liste 1
  • Liste 2
Lorem ipsum
Eine Wanduhr mit dem Porträt eines Mannes im Rahmen und pendelnden Gewichten darunter.
Augenwenderuhr aus Lenzkirch mit dem Bildnis Friedrich Heckers, 1850er Jahre, Inv. 2010/1415
© Badisches Landesmuseum, Thomas Goldschmidt
Sammlung eines kunstvollen Wandbeutels mit einer historischen Figur und kunstvollem Handwerk.
Reisetasche Friedrich Heckers (auf dem Weg ins amerikanische Exil), Inv. L 529
© Badisches Landesmuseum
„Es gab sogar Produkte mit Heckers Bild, die in Deutschland produziert und dann in Amerika verkauft wurden – in Deutschland waren diese verboten.”
Prof. Steven Nyole Fuller

Lorem ipsum

Auf diesem Weg durch Südbaden sind Sie sicherlich auch der Frage nachgegangen, warum der Hecker-Zug damals gescheitert ist.
Sind Sie der Antwort während der Wanderung nähergekommen?

Der Hecker-Zug war nicht geplant. Joseph Fickler war in Karlsruhe festgenommen worden und Hecker befürchtete, dass es ihm auch so ergehen würde. So hat er sein Konto geleert und ist losgefahren, ohne den Aufstand irgendwie vorbereitet zu haben. Als Hecker in Konstanz mit weniger als 60 Männern losmarschierte, erwartete er eine Art Lawineneffekt. Er dachte, dass nach und nach immer mehr Menschen dazustoßen würden. Sein Plan, mit 15.000 Leuten in Karlsruhe anzukommen, ging aber nicht auf. Als er nach nur acht Tagen bei Kandern in Südbaden von Bundestruppen geschlagen wurde, hatte er ungefähr 1000 Männer bei sich.

In der Forschung ist immer wieder zu lesen, dass Heckers Aufstand entweder zu spät oder zu früh kam. Wenn er den Aufstand gleich Anfang März gemacht hätte, hätte er vielleicht bessere Chancen gehabt. So fand der Hecker-Zug eine Woche vor Ostern statt. Das war schlechtes Timing! Die Bauern haben gerade ihre Felder bestellt, sie hatten Familien und sie wollten so eine Woche vor Ostern nicht mitmarschieren! Viele Leute haben sich für 20 Kilometer angeschlossen und sind dann einfach wieder nach Hause gegangen. Außerdem war das Wetter sehr schlecht…

  • Liste 1
  • Liste 2
Lorem ipsum
Karte mit Orten und wichtigen Daten zur Schlacht bei Kandern auf der Scheideck, 1848 und 1884.
Verlauf des Hecker-Zugs
© Badisches Landesmuseum

Auch Desinformation, oder Fake News, wie wir es heute nennen würden, spielte eine große Rolle. Von den Behörden im Deutschen Bund wurde gleich von Anfang an in den Zeitungen verbreitet, dass der Hecker-Zug schon gescheitert sei – und es gab ja damals keine Handys.

Von den meisten Historiker*innen wird argumentiert, dass Heckers Aufstand im Volk keine Unterstützung fand, aber das stimmt meiner Meinung nach nicht. Er wurde von der Bevölkerung in den Dörfern und kleinen Städten bejubelt! Die Bevölkerung war also durchaus für eine Revolution in Baden – aber nicht eine Woche vor Ostern, nicht bei diesem Wetter! War der Versuch einer Revolution legitim? Das glaube ich doch, ja!

Nach dem gescheiterten Aufstand musste Hecker in die Schweiz fliehen und von dort aus dann über Straßburg nach Amerika auswandern. Lassen Sie uns nun über sein Leben in den Staaten sprechen. Wie wurde er dort empfangen? Und waren die amerikanischen Behörden nicht besorgt, dass er Unruhe stiften könnte?

Heckers Ankunft in New York war ein großes Ereignis für die Deutsch-Amerikaner*innen, 10.000 Leute jubelten ihm zu! Und was die amerikanischen Behörden anbelangt, die hatten keine Ahnung, wer Hecker überhaupt war. Zu dieser Zeit gab es ohnehin keine Bestimmungen für Einwanderer*innen – die Grenzen von Amerika waren einfach offen.

Friedrich Hecker wird in Nordamerika herzlich empfangen. Menschenmenge, Schiffe im Hintergrund, festliche Atmosphäre.
Heckers Ankunft in den USA, Lithografie von 1848, Inv. 80/409-388
© Badisches Landesmuseum, Thomas Goldschmidt

Lorem ipsum

Hecker wurde in den USA zum Farmer. Wie muss man sich das konkret vorstellen?

Er ging nach St. Louis (Missouri) und hat bei Belleville (Illinois) auf der anderen Seite des Mississippi eine Farm gekauft. Belleville war damals die größte deutsch-amerikanische Siedlung in Illinois. Und dort wurde er zum Latin Farmer - zum lateinischen Bauern. Das war eigentlich ein Schimpfwort für gebildete Leute, die sich als Farmer ansiedelten. Hecker hat Wein, Weizen und Mais angebaut, aber auch als Rechtsanwalt in Belleville gearbeitet. Er hat sich sofort gegen die Sklaverei positioniert, ist also ein Abolitionist geworden. Und dadurch hat er auch Abraham Lincoln schon 1854 kennengelernt. Als dieser sechs Jahre später bei den Präsidentschaftswahlen kandidierte, hat Hecker für ihn Wahlkampf gemacht. Er ist überall in den Staaten herumgereist und hat Reden gehalten, um die Stimmen der Deutsch-Amerikaner*innen für ihn zu gewinnen – und sie haben Lincoln dann auch zu 90% gewählt.

  • Liste 1
  • Liste 2
Lorem ipsum
Männliche Figur in grünem Outfit mit Gewehr, anmutig stehend und nach vorne zeigend, eingefasst von einem Holzrahmen.
Fliese mit Heckerdarstellung, 1848-49, Inv. 2000/1140
© Badisches Landesmuseum, Thomas Goldschmidt

Hecker hat für die Nordstaaten am amerikanischen Bürgerkrieg teilgenommen. Was genau war seine Rolle?

Hecker war sehr wichtig. Er hat dafür gekämpft, dass Missouri bei den Nordstaaten blieb. Außerdem hat er ein Einwanderer-Regiment von 1200 Männern organisiert, mit dem er an der Schlacht von Chancellorsville teilgenommen hat. Weil er dort verwundet worden ist, hat er Gettysburg verpasst, aber sein Regiment war dabei.

Lorem ipsum

Forty-Eighters, also 48er, nannte man die Deutschen, die nach dem Scheitern der Revolution von 1848/49 aus politischen Gründen nach Amerika ausgewandert waren. Neben Hecker haben auch viele andere von ihnen auf der Seite der Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg gekämpft. Und einige haben danach auch eine politische Karriere in den USA gemacht. Wie war das mit Hecker?

Bei Hecker war das nicht so, aber er spielte immer noch eine sehr große Rolle als Volksheld, und auch in der deutsch-amerikanischen Kultur. Er hat zum Beispiel den ersten Turnverein der USA in Cincinnati gegründet. Er war wirklich ein Mythos unter den Deutsch-Amerikaner*innen. Bei seiner Beerdigung 1881 waren 2000 Leute anwesend, 1000 Pferde und 1000 Kutschen! Und ein Jahr nach seinem Tod wurde das Hecker-Denkmal in St. Louis eingeweiht, dafür kamen rund 15.000 Menschen zusammen.

  • Liste 1
  • Liste 2
Lorem ipsum
Büste eines Mannes auf einem Pfeiler, umgeben von Bäumen unter klarem Himmel.
Hecker Denkmal, Cincinnati (Ohio), 1883
© Steven Fuller
Granitgrabstein für Friedrich Hecker (1811-1881) und Josephine Hecker (1821-1916) auf einem Friedhof.
Grabstein von Friedrich Hecker, Summerfield Cemetery (Illinois), 1881
© Steven Fuller

Lorem ipsum

Wie haben die deutschen Forty-Eighters die amerikanische Gesellschaft beeinflusst? Könnte man sogar so weit gehen zu sagen, dass sie ein Motor des politischen Fortschritts waren, oder ist das zu weit gegriffen?

Ich glaube, das trifft zu. Den Einfluss der 48er kann man nicht überschätzen. Die 48er-Einwanderer*innen waren sehr idealistisch und sie trafen auf ein politisches System in den USA, in dem es in den späten 1850er Jahren, also vor dem amerikanischen Bürgerkrieg, viel Bestechung und Korruption gab. Da hatten die 48er einen positiven Einfluss! Sie haben aber nicht nur das politische Leben in Amerika geprägt! Die 48er waren sehr gebildet und hatten viele Fähigkeiten, die in diesem Land damals fehlten, besonders im mittleren Westen. Sie waren zum Beispiel Rechtsanwälte, Zeitungsverleger, aber auch Geschäftsleute, und als solche sehr erfolgreich. So waren sie nicht nur ein Motor für die amerikanische Politik, sondern auch für die amerikanische Industrie.

  • Liste 1
  • Liste 2
Lorem ipsum

„Er war wirklich ein Mythos unter den Deutsch-Amerikaner*innen. Bei seiner Beerdigung 1881 waren 2000 Leute anwesend.”

Prof. Steven Fuller

Lorem ipsum

Herr Fuller, die USA galten lange als Einwanderungsland und als Melting Pot. Die Idee der Migration war in den USA also positiv besetzt. Wann begann das zu kippen?

Die Idee von Amerika als Einwanderungsland ist vielleicht doch teilweise ein Mythos. Es gab mit jeder Welle der Einwanderung, ob das die Deutschen waren oder die Iren, am Anfang Vorurteile und sogar Rassismus gegen die Einwanderer*innen. Aber im Laufe der Zeit haben sich die Deutschen assimiliert. Der Erste Weltkrieg war dann der Anfang vom Ende der deutschen Kultur in Amerika. Noch in den frühen 1930er Jahren gab es in Chicago, wo meine Familie herkommt, zwei deutschsprachige Zeitungen. Der zweite Weltkrieg hat die deutsche Kultur in den USA dann aber völlig zerstört.

In der modernen Politik spielt das Thema Immigration aus Lateinamerika, hauptsächlich aus Mexiko, wahrscheinlich seit Ronald Reagan in den 1980 Jahren eine Rolle. Aber erst mit Donald Trump hat das Thema so stark polarisiert. Und es gab tatsächlich ein Problem an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, aber Donald Trump hat das als Propaganda benutzt, um den Wahlkampf zu gewinnen, besonders im letzten Wahlkampf war das sehr wichtig.

Zum Schluss noch ein Gedankenexperiment: Stellen wir uns vor, Hecker würde heute in die USA einreisen. Was würde passieren? Und würde er noch einreisen wollen?

Hecker würde heutzutage nicht reingelassen werden wegen seiner revolutionären Vergangenheit in Deutschland, gar keine Frage. Und das ist schade. Jede Welle der Immigration hat die USA stärker gemacht. Wir brauchen Immigrant*innen, das war schon immer so. Und jede Generation hat sich irgendwie assimiliert und hat diesen Flickenteppich der amerikanischen Geschichte irgendwie bereichert. Hecker wäre heute kein Amerikaner geworden. Nein, er wäre wahrscheinlich in der Schweiz geblieben.

  • Liste 1
  • Liste 2
Lorem ipsum
Mann mit langen Haaren und Brille lächelt im schwarzen Hoodie mit Aufdruck. Hintergrund in sanften Farben.
Prof. Steven Nyole Fuller
© Steven Fuller
Ungefiltert
15.10.2025
  • Impressum
  • Barrierefreiheit
  • Datenschutz